Cyprian von Karthago
Die bedeutendsten Quellen, die uns über das Leben des Cyprian Aufschluss geben sind seine eigenen Schriften (v. a. seine Briefe), sowie eine Biographie Cyprians, die wahrscheinlich von dem Diakon Pontius verfasst worden ist (vita Cypriani). Hinzu kommt noch eine Lebensbeschreibung durch Hieronymus (vir. Ill.). Dieser Text ist aber abhängig von der Pontius-Vita und somit nur bedingt als eigenständige Quelle anzusehen; beide sind aufgrund ihrer tendenziösen Darstellung keine zuverlässigen Zeugen. Das unterscheidet diese Quellen von den acta Cypriani, den Märtyrerakten, die eine authentische Quelle für das Martyrium des Cyprian darstellen. (s.a. ⇒ Acta Cypriani)
Der voller Name Cyprians lautet Caecilius Cyprianus, bekannt ist aber auch der Beiname Thascius. Geboren wurde er zu Beginn des dritten Jahrhunderts n. Chr. als Sohn aus einem reichen Elternhaus, wahrscheinlich ist er in den Ritterstand hinein geboren worden. Von Geburt an war Cyprian Anhänger der paganen römischen Religion.
In jungen Jahren genoss Cyprian eine rhetorische Ausbildung, und wurde schnell zu einer persona insignis (einer „bekannten und einflussreichen Persönlichkeit“, ep. 8,1,1). Um 245 n. Chr. bekehrte er sich zum Christentum. Zu diesem Zeitpunkt war Cyprian bereits sehr wohlhabend. Er besaß Gärten in Karthago und ein beachtliches Vermögen. Die Gründe für seine Hinwendung zum Christentum gibt er in seiner Schrift ad Donatum 3,4 an: Es ist der Ekel vor der Sittenlosigkeit des öffentlichen und privaten Lebens seiner Zeit. Wann genau Cyprian sich taufen ließ und ob er später Presbyter oder Diakon wurde, ist unbekannt. Jedenfalls wurde er 248 oder 249 n. Chr. Bischof von Karthago und trug den Titel „Papst“, wie alle Bischöfe von Rom, Karthago und Alexandria.
Cyprian hatte wohl großen Rückhalt im Volk, was durch das römische Klientelwesen bedingt war. Wohlhabende und einflussreiche Männer protegierten einfache Leute (Klienten), standen ihnen in Rechtsfragen bei etc. Auf diese Weise sicherten sie sich deren Loyalität bei Wahlen. Außerdem bildeten die Klienten das Gefolge des Patrons in der Öffentlichkeit. Das bedeutete auch Folgsamkeit in kultischen Angelegenheiten. Man kann also sagen, dass die Klienten zur Stärkung des gesellschaftlichen Prestiges des Patrons beitrugen.
Das passt gut zur offensichtlich hohen gesellschaftlichen Stellung des Cyprian und zu den Berichten über seine Wahl zum Bischof: Pontius, Vita Cypriani 5,1: „iudicio Dei et plebis favore ad officium sacerdotii et episcopatus gradum adhuc neophytus et ut putabatur novellus electus est“ („Durch das Urteil Gottes und durch die Gunst des Volkes ist er [sc. Cyprian] in das Amt des Priesters und in den Rang eines Bischofs erwählt worden, obwohl er bis dahin noch neubekehrt und, wie man glaubte, zu jung war.“) Hieran wird deutlich, dass einige Presbyter strikt gegen die Wahl des Cyprian zum Bischof waren.
Ende 249, also kurz nach der Wahl zum Bischof begann jedoch die Decische Verfolgung. Decius war ein Soldatenkaiser, also durch das Militär und aus dem Militär auf den Thron gekommen. Kurz nach seiner Machtübernahme im Jahre 249 ordnete er eine supplicatio (ein Bittopfer) an, das der Versöhnung der Götter, sowie zur Loyalitätsbekundung aller Reichsbewohner an Kult und Kaiser dienen sollte. Decius verfolgte eine Restaurationspolitik, die den alten römischen Werten und Kulten wieder neues Gewicht geben wollte, was er mit dieser supplicatio zu erreichen suchte. Zur Durchführung dieses Opfers wurden in jeder Stadt Opferkommissionen eingerichtet, die den Opfervollzug überwachen und bescheinigen sollten. Ein weiterer Aspekt, den Decius wohl ebenfalls im Blick hatte, war das Christenproblem, das sich auf diese Weise vielleicht lösen ließ.
Das Opfer wurde im gesamten Römischen Reich nach demselben Schema vollzogen: Es wurde eine Statue des Kaisers neben die heidnischen Götterbilder gestellt, und der Genius des Kaisers wurde beim Opfer mit verehrt. F ür die Christen stellt sich natürlich die Frage, wie man als Christ mit einem solchen Befehl umgeht. Sollte man am Opfer teilnehmen und damit seinen christlichen Glauben verleugnen? Sollte man sich eine Opferbescheinigung durch Bestechung verschaffen? Oder blieb man standhaft und nahm die Bestrafung, eventuell sogar den eigenen Tod in Kauf?
Cyprian fand für sich selbst noch einen anderen Weg, nämlich die Flucht an einen sicheren Ort, wahrscheinlich in der Nähe von Karthago. Das war natürlich eine äußerst umstrittene Handlungsweise, da der Bischof eine Vorbildfunktion für die Gemeinde haben sollte und die Gemeinde auf diese Weise im Stich gelassen wurde. Außerdem war die Leitung der Gemeinde aus einem Versteck heraus schwierig. Cyprian übte die Gemeindeleitung jedoch durch Briefe und Boten weiterhin aus.
Die Flucht Cyprians ließ die alten Vorbehalte ihm und seiner Wahl gegenüber bei der eigenen Gemeindeleitung und auch bei der römischen Kirchenleitung wieder zum Vorschein kommen. Besonders prekär wurde die Situation, als am 20. Januar 250 Fabian, der Bischof von Rom und ein paar Tage später die Bischöfe von Alexandria, Jerusalem und Antiochia (Euseb, KG VI, 39, 1-4) den Märtyrertod erlitten. Den Tod des Bischofs von Rom nahmen die Presbyter und Diakone der dortigen Gemeinde, die diese jetzt leiteten, zum Anlass, einen Brief an die Gemeinde von Karthago, bzw. an die Diakone und Presbyter zu richten. Darin verurteilten sie die Flucht Cyprians, und ermahnten den Klerus, bei der Gemeinde auszuharren. Dieses Schreiben bekam Cyprian in die Hände, woraufhin er es nach Rom zurück sandte – mit der Anfrage, ob es echt sei. In einem weiteren Brief an den römischen Klerus rechtfertigte er dann seine eigenen Motive folgendermaßen:
- Der Grund für die secessio (Beiseitegehen) sei nicht die eigene Rettung, sondern der Schutz der Gemeinde gewesen. Denn Cyprian wäre als bekannte Persönlichkeit das Ziel von Anfeindungen, die auch die Gemeinde getroffen hätten. Cyprian beruft sich dabei auf Mt 10,23: „Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere.“
- Obwohl er physisch abwesend sei, sei er doch geistig in seiner Gemeinde präsent und erfülle alle Aufgaben seines Amts (ep. 20,1,2: „absens tamen corpore nec spiritu nec actu nec monitis meis defui…“)
Als Beleg für seine ordnungsgemäße Gemeindeleitung sandte er Kopien von Briefen mit Weisungen an den Klerus der karthagischen Kirche nach Rom, was dort positiv aufgenommen wurde, so dass Cyprian im Amt bleiben konnte. Dieses Exil dauerte etwa ein Jahr – bis zum Ende der Decischen Verfolgung im Jahre 251.
Diese Begebenheit ist nicht nur für das Leben Cyprians und die Geschichte der nordafrikanischen Kirche von großem Interesse, sondern es ist hier auch zu beobachten, dass Rom immer stärker die Führungsrolle innerhalb der gesamten Kirche im Imperium Romanum für sich beansprucht und ausübt. Rom wird zumindest in diesem Konflikt als letzte Autorität angesehen.
Vom Frühjahr 251 bis zum ersten Valerianischen Edikt im Jahre 257 gab es in Nordafrika keine großen Verfolgungen. Daher konnte man sich nun den theologischen Problemen zuwenden, die die Decische Verfolgung aufgeworfen hatte.
Cyprian stand in der nordafrikanischen Tradition, die besonders durch Tertullian geprägt war: Es galt nur die Taufe, die von einem Rechtgläubigen gespendet wurde. Die Wiederaufnahme von schweren Sündern wurde abgelehnt, Märtyrer hatten keine Vollmacht zur Sündenvergebung.
Während der Abwesenheit Cyprians sprachen aber die confessores, also diejenigen, die standhaft geblieben waren, aus dem Gefängnis heraus pauschal eine Absolution für die lapsi (die Gefallenen) aus. Dem widersprach Cyprian vehement und forderte den Klerus auf, die Wiederaufnahme in die Gemeinde vorerst zu verschieben. Dies war natürlich nicht im Sinne der lapsi, die sich daraufhin mit den Gegnern der Wahl Cyprians zum Bischof zusammen schlossen und eine schismatische Gruppierung bildeten. Nach der Rückkehr Cyprians nach Karthago im Jahre 251 wurde daher die Einberufung einer Synode notwendig. Diese verurteilte die Schismatiker und sah eine abgestufte Wiederaufnahme der lapsi in die Kirchengemeinschaft vor. Die Schismatiker ließen sich das nicht gefallen und wählten daraufhin mit Fortunatus einen eigenen Bischof von Karthago.
Im Mai 252 wurde eine weitere Synode abgehalten. Sie brachte den Abschluss der Bußfrage, da neue Verfolgungen zu befürchten waren und man daher schnell eine Klärung herbeiführen musste. Alle lapsi wurden wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommen, wenn sie Buße getan haben.
Wenig später (im Jahre 257) brach dann die Valerianische Verfolgung los. Durch das erste Valerianische Edikt wurde Cyprian nach Curubis (Kurba) verbannt. Das zweite Valerianische Edikt hatte schließlich zur Folge, dass Cyprian ad bestias – also zum Tod durch wilde Tiere im Amphitheater verurteilt wurde.
Cyprians Hinrichtung erfolgte am 14. September 258.
Acta Cypriani - Das Martyrium des Cyprian von Karthago