Der Komplex von Sant' Agnese und Santa Costanza
Die Basilica Sant' Agnese
Von der ursprünglichen konstantinischen Basilika der Heiligen Agnes stehen nur noch einige Mauerreste. Es handelte sich dabei um eine Umgangsbasilika von 40 x 98 m aus dem vierten Jahrhundert n. Chr.
Reste der konstantinischen Basilika. Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Constantia, die Tochter des Kaisers Konstantin hatte diesen Komplex in den Jahren 337 bis 351 n. Chr. auf einem Familienbesitz über einem unterirdischen Friedhof errichten lassen. Der Friedhof befand sich in der Nähe der Grabstätte der Märtyrerin Agnes, der sich Constantia besonders verbunden fühlte.
Die Basilika wurde neben und nicht über dem Grab der Märtyrerin errichtet, wie es bereits in anderen Fällen geschehen war. Der Bau der Basilika führte zur Aufgabe einer vorhandenen Nekropole, die die Regio IV der Katakomben überlagerte. Der Hintergrund dieses Kirchenbaus durch Konstantin, bzw. ein Mitglied seiner Familie ist Teil eines umfassenderen Plans zur Errichtung christlicher Bauten in der Stadt Rom im 4. Jahrhundert. Konstantin war bekanntlich der erste Kaiser, der sich zur neuen Religion bekannte und sie bewusst förderte. Der Architekturstil der konstantinischen Kirche ist der einer Umgangs- oder Zirkusbasilika, einer Variante der dreischiffigen Basilika, bei der die Seitenschiffe nicht an der Rückwand endeten, sondern in einem Halbkreis weiterführten, der Apsis folgend. Die Säulen trugen Ziegelbögen, anstelle eines durchgehenden Architravs.
Im Inneren des zentralen Schiffes, gegenüber der Apsis, stand ein gewölbter Raum von 5,70 m Breite, aus Tuffsteinmauerwerk, dessen Funktion unsicher ist. Einigen Quellen zufolge könnte es der eigentliche Bestattungsort von Constantia gewesen sein.
Das Gebäude war vermutlich von anderen Gräbern und Mausoleen umgeben, darunter das heute noch erhaltene der kaiserlichen Prinzessin Constantia. In der Umgebung gab es zu jener Zeit Obstgärten und Weinberge, da die Gegend außerhalb der Mauern und fernab der bebauten Stadt lag.
Die alte Umgangsbasilika wurde wahrscheinlich im 7. Jahrhundert aufgegeben, als Papst Honorius I. die heutige Basilika Sant' Agnese direkt über dem Grab der Hl. Agnes errichten ließ. Es wurde im 16. Jahrhundert (unter anderem von Antonio Bosio) wiederentdeckt. Sie ist wurde von Papst Honorius I. (625-638) in Auftrag gegeben. Ihr Grundcharakter prägt die Basilika bis heute.
Die Existenz einer teilweise verlassenen Friedhofsbasilika mit einem Märtyrergrab in einer schwer zugänglichen Katakombe verbunden mit dem Wunsch, den Körper der Heiligen nicht zu stören, um die Zerstreuung der Reliquien zu verhindern machte den Neubau nötig. Zudem sollte der Zustrom von Pilgern in die Stadt gefördert werden, was einen besseren Zugang zu den Märtyrergräbern notwendig machte.
Grab der Hl. Agnes, von der Krypta aus gesehen. Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Honorius ließ daher eine halbunterirdische Basilika errichten, sodass der Boden auf der Ebene des Grabes der Hl. Agnes lag, indem ein Teil des Hügels abgetragen wurde. Der Zugang erfolgt bis heute über eine Treppe von der Via Nomentana aus. In der Basilika wurde im oberen Bereich eine Galerie errichtet, die sich auf drei Seiten erstreckte: entlang der beiden Seitenschiffe und des Innenraums der Vorhalle. Die Galerie ermöglichte auch denen den Zugang zur Basilika, die nicht in der Lage waren, die Treppe zu nehmen, und schuf an Tagen mit besonders großem Andrang zusätzlichen Platz.
Apsismosaik der heutigen Basilika Sant'Agnese, Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Zeitgleich mit dem Bau der Basilika entstand das große Mosaik, das die gesamte Apsis bedeckt und S. Agnese zeigt, die zu Füßen die Flammen und das Schwert des Martyriums hat und von den Päpsten Symmachus und Honorius flankiert wird, wobei Letzterer das Modell der Kirche in der Hand hält. Die untere Wand der Apsis gibt uns einen Eindruck von dem einfachen, aber monumentalen Stil dieses Gebäudes.
Basilika Sant'Agnese, Innenraum. Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Alle im Inneren der Basilika verwendeten Säulen sind sogenannte Spolien, das heißt, sie stammen aus den Ruinen römischer Gebäude, wahrscheinlich der benachbarten konstantinischen Basilika selbst. Die Vielfalt der Säulenstämme und Kapitelle, die sich aus ihrer Herkunft ergibt, wurde vom Architekten geschickt genutzt, um dem Gebäude Dynamik zu verleihen und insbesondere den Weg des Pilgers zum Altar zu markieren, der über dem Grab der Hl. Agnes steht.
Das Mausoleum der Santa Costanza
Das Mausoleum der Heiligen Constantia, auch bekannt als S. Costanza, zählt zu den herausragenden Beispielen spätantiker Architektur. Gemeinsam mit dem Baptisterium von San Giovanni in Laterano ist es eines der frühesten erhaltenen Beispiele eines christlichen Zentralbaus mit einem Umgang. Das Bauwerk verdankt seine Form - die beiden konzentrischen Kreisräume - dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem, die von Konstantin dem Großen und seiner Mutter Helena errichtet wurde.
Santa Costanza, das Mausoleum der Constantia. Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Das Mausoleum wurde zu Beginn des 4. Jahrhunderts von Constantia, der Tochter von Kaiser Konstantin, erbaut. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe der großen Basilika, die sie am Friedhof mit den unterirdischen Gräbern der Märtyrerin Agnes errichten ließ. (s. o.) Constantia war selbst eine gläubige Verehrerin der Heiligen Agnes, da ihr eine Heilung geschehen war, die sie der Heiligen zuschrieb.
Die Architektur des Mausoleums war eng mit der Basilika verbunden. Der Narthex, der als Eingang diente und an den Seiten mit Absiden versehen war, war direkt mit dem Seitenschiff der Umgangsbasilika verbunden. Dadurch war das Mausoleum quer zur Achse der Basilika ausgerichtet.
Der Innenraum besteht aus einem zentralen Rundbau, umgeben von einem Umgang und durch zwölf Paare von Granitsäulen getrennt, die allesamt römische Spolien sind. Die Säulenkapitelle sind paarweise mit Architravstücken verbunden, die radial angeordnet sind und so Zentrifugal- und Zentripetalkräfte erzeugen, die von der Dunkelheit des Umgangs zum hellen Zentralraum führen.
Santa Costanza, das Mausoleum der Constantia - Innenansicht. Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Die Kuppel des zentralen Raums mit einem Durchmesser von 22,50 m wurde nach römischer Bauart mit Rippen und massiven Ziegelbögen gebaut. Ursprünglich war die Kuppel mit Mosaiken bedeckt, die heute nicht mehr erhalten sind, und die darunter liegenden Wände waren mit einem opulenten Marmorbelag in opus sectile (Einlegearbeiten) versehen, von dem heute nur noch wenige Reste zu erkennen sind.
In den Jahren 1623 – 1644 entfernte Papst Urban VIII. die Verkleidungen aufgrund der drohenden Einsturzgefahr. Dennoch sind die zwölf vergitterten Fensteröffnungen erhalten geblieben, die dem Gebäude einen dynamischen Charakter verleihen.
Der Umgang ist mit einem Tonnengewölbe bedeckt, das im vierten Jahrhundert mit prächtigen Mosaiken verziert wurde. Diese Mosaiken zeigen geometrische Muster, Weinlese-Szenen und Porträts in Clipei. Die beiden Darstellungen links und rechts der Frontnische könnten als Porträts von Konstantina und ihrem ersten Ehemann Annibaliano, dem König von Pontus, identifiziert werden. Insbesondere die Rankenornamente sind ein typisches Beispiel für die Anpassung paganer Motive an die christliche Tradition, was dazu führte, dass das Mausoleum lange Zeit mit dem Tempel des Bacchus identifiziert wurde.
Deckenmosaik mit der Darstellung der Constantia. Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Die Seitenwände sind durch zahlreiche Nischen gegliedert. In den vier größeren Nischen an den Eckpunkten sind rechteckige und halbkreisförmige Mosaikdarstellungen aus dem späten vierten Jahrhundert zu sehen. Diese zeigen die Vorherrschaft der römischen Kirche über das Christentum und stellen die Schlüsselübergabe sowie die Übergabe der Gesetzrolle an Petrus (traditio legis) dar.
Außerhalb des Umgangs verlief ein weiterer Säulenumgang, der heute verschwunden ist. Insgesamt spiegelt dieses Gebäude zusammen mit der dazugehörigen Basilika die charakteristischen Merkmale der konstantinischen Architektur wider: Großartigkeit, Einfachheit des Grundrisses und der Außenansicht sowie Pracht im Inneren.
Sarkophag der Constantia in der Hauptapsis des Mausoleums. Foto: © Sebastian Buck, antike-christentum.de
Die Bauarbeiten am Mausoleum erfolgten laut neueren Studien in zwei Phasen: eine zwischen 337 und 351 n. Chr. - nach dem Tode des Annibalius - und die andere nach dem Tod der Constantia, jedoch spätestens bis 361 n. Chr. Später wurde auch Helena, eine weitere Tochter Konstantins und Ehefrau des Julian Apostata, im Mausoleum der Constantia beigesetzt.
Das Mausoleum wurde möglicherweise zum Baptisterium der im 7. Jahrhundert erbauten Basilika S. Agnese umgewandelt (s. o.). Diese Nutzung passte gut zur Tradition dieser Zeit, obwohl nicht alle Forscher dieser Nutzung zustimmen.
Im Jahr 1254 wurde das Gebäude in eine Kirche umgewandelt und erhielt den Namen S. Costanza. Schon im frühen Mittelalter wurde Constantia willkürlich als Märtyrerin identifiziert und daher als Heilige verehrt. Bereits im Jahr 835 bezeichnete das Liber Pontificalis das Mausoleum als Aecclesia Sanctae Costantiae. Dies ist ein charakteristisches Merkmal des Gebäudes, das in seiner architektonischen Form weitgehend auf pagane Modelle von Tempeln und Gräbern zurückgreift.
Im Jahr 1620 ließ Kardinal Fabrizio Veralli die Mosaikdekoration der Kuppel endgültig entfernen und durch bescheidene Fresken ersetzen.
Die Katakombe der Hl. Agnes
Die Katakomben von S. Agnese, ein unterirdischer Friedhof von faszinierender Geschichte, sind eng mit dem Martyrium der jungen Agnes verbunden. Dieses unterirdische Grabmal entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte immer weiter und spiegelt die wechselhafte Geschichte Roms wider, angefangen von den Verfolgungen im dritten Jahrhundert bis zu den späteren Umbauten und Veränderungen.
Eine Galerie in den Katakomben der Hl. Agnes. Foto: © antike-christentum.de
Die Geschichte beginnt mit dem Martyrium der jungen Agnes während der Verfolgung von Christen des dritten Jahrhunderts unter Diokletian, Decius oder Valerian. Ihr Körper wurde in einer Galerie im ersten Stock eines bereits existierenden christlichen Friedhofs begraben, etwa sechs Meter unterhalb des heutigen Straßenniveaus. Dieser Friedhof, als Regio I in den Catacombe di S. Agnese bezeichnet, entstand in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts, kurz vor der Zeit Konstantins.
Die Katakomben der Hl. Agnese bergen eine Fülle von Kunstwerken, darunter ein Deckel einer heidnischen Urnenbestattung mit Büsten von Jugendlichen. Vor allem aber sind es die frühchristlichen Grabinschriften, eine Statue ohne Kopf oder Arme, und ein Fragment eines vergoldeten Glases mit einer sitzenden männlichen Figur namens Felix.
Beispiele für Grabinschriften aus den Katakomben der Hl. Agnes. Foto: © antike-christentum.de
Die Verehrung der Heiligen Agnes manifestiert sich in verschiedenen epigraphischen Zeugnissen und einem marmornen Pluteo aus dem 4. Jahrhundert, das einst das Grab schmückte. Die Entwicklung von einem einfachen Friedhof zu einem bedeutenden Kultort wird durch diese Fundstücke deutlich.
© Sebastian Buck, antike-christentum.de
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