Ravenna
Ravenna an der italienischen Adriaküste ist ein Kleinod der byzantinischen Mosaikkunst. In den Kirchen der Stadt haben sich prachtvolle Mosaiken aus den 140 Jahren vom zweiten Viertel des 5. Jahrhunderts bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts erhalten und geben einen intensiven Einblick in die Glaubens- und Lebenswelt der damaligen Zeit.
Stadtgeschichte
Vermutlich gehen die Wurzeln der Stadt auf das 6. Jahrhundert v. Chr. zurück, als Menschen, die vor den Invasionen der Gallier in Norditalien geflohen waren, sich in der Lagunenlandschaft der Poebene ansiedelten. Den Standort bauten wahrscheinlich die Griechen als Hafenstadt aus.
Im Jahr 88 v. Chr. erhielt Ravenna das römische Bürgerrecht. Caesar lagerte mit seinen Truppen hier, bevor er den Rubicon überschritt. Kaiser Augustus baute den Hafen zum zweitgrößten Flottenstützpunkt (nach dem Flottenstützpunkt von Miseum) des Römischen Reichs aus. In der römischen Kaiserzeit hatte Ravenna bis zu 50.000 Einwohner.
Im Jahr 402 verlegte der weströmische Kaiser Honorius seinen Hof von Mailand nach Ravenna. Er schätzte die Stadt, weil sie aufgrund ihrer Lage gut zu verteidigen war. Dies zeigte sich, als die Westgoten unter Alarich I. im Jahr 408 vergeblich Ravenna belagerten. Im selben Jahr wurde der Feldherr Stilicho Opfer einer Intrige am Kaiserhof. Des Paktierens mit Alarich und damit des Hochverrats beschuldigt, wurde er in Ravenna hingerichtet.
Nach dem Tod des Kaisers Constantius III. 421 in Ravenna und dem Tod des Honorius regierte dessen Halbschwester Galla Placidia zunächst als Vormund ihres noch minderjährigen Sohns Valentinian III. Sie ließ die Stadt prächtig ausbauen. Ravenna blieb fortan der eindeutig bevorzugte Regierungssitz der weströmischen Kaiser in Italien.
Nach der Absetzung des weströmischen Kaisers Romulus Augustus herrschte in der Stadt ab 476 der germanische rex Odoaker, der 493 von dem Ostgotenherrscher Theoderich nach der Niederlage in der „Rabenschlacht“ eigenhändig getötet wurde. Theoderich residierte fortan in einem prunkvollen Palast in Ravenna (s. Abb.) und starb dort am 30. August 526. Bis heute eindrucksvoll ist das Grabmal, das er sich in Ravenna hatte errichten lassen. Es ist heute leer; ob ein Sarkophag mit den sterblichen Überresten Theoderichs dort je gestanden hat, ist umstritten. Die Ostgoten errichteten in Italien ein Reich, das bis zur endgültigen Niederlage gegen Ostrom (552) Bestand hatte. Bis 535 herrschten sie nominell als Stellvertreter des Kaisers in Konstantinopel. Die Hauptstadt Ravenna erlebte unter ihnen erneut eine kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit.
535 begannen die oströmischen Truppen mit der Rückeroberung Italiens. Im Mai 540 fiel das von dem Heermeister Belisar im Auftrag des Kaisers Justinian I. belagerte Ravenna; wahrscheinlich hatten ostgotische Adlige dem Heermeister die Kaiserwürde des Westens angeboten. Belisar ging zunächst darauf ein und eroberte so ohne Blutvergießen die Stadt. Ob Belisar die Kaiserwürde nur zum Schein annahm, ist unklar; in jedem Fall ließ er sich nach der Einnahme Ravennas nicht zum Augustus ausrufen. Dennoch erweckte dieser Vorgang den Argwohn Justinians. 541/42 brach der Krieg in Italien erneut aus, 549 wurde Belisar abberufen und durch seinen Konkurrenten Narses ersetzt. Zeitweilig konnten die Oströmer nur Ravenna behaupten, während die Goten unter König Totila wieder fast ganz Italien kontrollierten; erst 552 unterlagen sie Narses.
Nun erlangte Ravenna als Vorposten des Oströmischen Reiches in Italien erneut Bedeutung, die Stadt wurde bald nach dem Einfall der Langobarden (568) Hauptstadt des Exarchats von Ravenna. Rund zwanzig biographisch bekannte Exarchen, die dem oströmischen Kaiser in Konstantinopel unterstanden, wechselten in der Folgezeit als Verwalter des Exarchats und Ravennas einander ab. Sie waren nicht selten mit der geheimen Vollmacht ausgestattet gewesen, den Papst gefangen zu nehmen.
Aus dieser Zeit des Umbruchs von der Antike zum Mittelalter (siehe vor allem Spätantike) findet man in Ravenna zahlreiche bedeutende Bauwerke, die oft noch den originalen Mosaikenschmuck des 5. bis 7. Jahrhunderts zeigen und die inzwischen von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Sie sind vor allem deshalb einzigartig, weil im Kerngebiet des Oströmischen Reiches fast alle derartigen Mosaiken später dem Bilderstreit zum Opfer fielen.
Die Basilika San Vitale
Der Bau der Kirche wurde 525 von Bischof Ecclesius begonnen und unter Bischof Maximian im Jahr 547 geweiht.
Einzigartig ist die Architektur der Kirche: Es handelt sich um einen achteckigen Zentralbau mit zentraler achteckiger Kuppel. Im oberen Bereich befindet sich ein umlaufender Wandelgang. Dem Zentralbau vorgelagert ist ein Narthex.
Die gesamte Kirche ist reich ausgestattet mit kostbaren Säulen, Marmor-Verkleidungen und Mosaiken. Das Mosaik der Altarkuppel im Vorraum der Apsis zeigt im Zentrum Christus als Lamm inmitten floraler Motive und vier Engelsfiguren. (s. Video)
Über den beiden Eingängen sind Szenen aus der Abrahamsgeschichte, aus dem Buch Jeremia und Mose auf dem Berg Sinai dargestellt.
In der Altarapsis mit dem Bischofsthron zieren Mosaiken die Wände, die auf der einen Seite Kaiser Justinian und auf der gegenüberliegenden Seite Kaiserin Theodora jeweils mit Gefolge zeigen, die der Einweihungszeremonie beiwohnen. Das Apsismosaik selbst zeigt auf goldenem Grund Christus als Weltenherrscher und Erlöser. Neben Christus ist der Hl. Vitalis abgebildet, dem Christus die Märtyrerkrone reicht. Vom Betrachter aus gesehen rechts der Christusfigus sehen wir Bischof Ecclesius mit der modellhaften Darstellung der Basilika in den Händen. Geführt werden beide durch jeweils einen Engel. (s. Abb.)
Das Baptisterium der Orthodoxen
Diese Taufkapelle wurde in der Mitte des fünften Jahrhunderts neben einer katholischen Basilika errichtet. Diese ist jedoch im 18. Jahrhundert zerstört worden. Im Baptisterium wurden nach der christlichen Unterweisung die neuen Gemeindeglieder der katholischen Kirchengemeinde getauft. Die Bezeichnung „Orthoxoxes Baptisterium“ soll diese Taufkapelle von derjenigen des Theoderich unterscheiden, die als Baptisterium der Arianer bezeichnet wird.(Die Arianer waren eine christliche Abspaltung, die Christus als reinen Menschen sah.)
Das Baptisterium der Orthodoxen ist ein mit Mosaiken reich verzierter achteckiger Kuppelbau. Während es sich von außen als unscheinbarer Ziegelbau präsentiert, ist es im Inneren reich verziert mit Marmor und Mosaiken.
Das üppige Kuppelmosaik aus der Zeit des Bischofs Neon (451-475 n. Chr.) zeigt in seinem Zentrum Johannes den Täufer und Jesus am Jordan, der inschriftlich bezeichnet und zudem als Flussgott dargestellt ist. Johannes tauft Jesus mit einer Schale. Zugleich fährt von oben eine Taube auf das Haupt Jesu herab - Sinnbild für den Heiligen Geist. Rings um dieses Zentralmotiv sind auf blauem Grund die zwölf Apostel dargestellt, die ebenfalls namentlich bezeichnet werden.
Das Baptisterium ist die Taufkapelle der frühchristlichen Bischofskirche, die im 18. Jahrhundert abgerissen wurde.
Sant' Apollinare Nuovo
Die Basilika Sant' Apollinare Nuovo war eine ursprünglich arianische Kirche, die im Auftrag Theoderichs des Großen in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts erbaut wurde.
Bereits in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts wurde Sant' Apollinare Nuovo dann der katholischen Kirche übereignet und dem Hl. Martin geweiht.
Im 9. Jahrhundert wurden die Reliquien des Hl. Apollinaris aus der alten, außerhalb der Stadt gelegenen Kirche Sant' Apollinare in Classe in die Basilika umgebettet. Daraufhin erhielt sie auch den Namen des dort Bestatteten, der der Gründer der christlichen Gemeinde von Ravenna gilt.
Ausgangspunkt der Prozession der Jungfrauen bildet eine Darstellung der Stadt Ravenna mit ihren Stadtmauern, dem Hafen und weiteren markanten Gebäuden der Stadt. Die Prozession der Märtyrer beginnt beim Palast des Theoderich. Alle Figuren sind aus diesem Gebäude jedoch getilgt worden, wohl um die Erinnerung an den arianischen Ostgoten Theoderich zu tilgen.
Darstellung des Theoderich-Palasts
Sant' Apollinare in Classe
Die dreischiffige Hallenbasilika Sant' Apollinare in Classe wurd in unmittelbarer Nähe zum antiken Hafen errichtet. Dieser liegt außerhalb der eigentlichen civitas Ravenna beim oppidum Classis, wo auch der Name der Basilka herrührt. Classis bedeutet auf Latein „Flotte“ und ist ein verweis auf den zweitgrößten Flottenstützpunkt des Römischen Reichs an diesem Ort. Die Ruinen des Hafens wurden in den letzten Jahren ergraben und sind nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.
Der Bau der Basilika Sant' Apollinare in Classe verläuft parallel zu dem der Basilka San Vitale. Die Weihung erfolgte im Jahre 549 durch Bischof Maximianus. Errichtet wurde die Kirche zur Aufbewahrung der Gebeinde des Hl. Apollinaris, des Gründers der christlichen Gemeinde von Ravenna.
Von der ursprünglichen Ausstattung der Basilika hat sich lediglich der Mosaikschmuck der gewaltigen Apsis erhalten. Es zeigt in leuchtenden Grün- und Blautönen den Heiligen Apollinaris in Gebetshaltung inmitten von 12 Lämmern. Diese bukolische Szene verweist auf seine Funktion als Bischof. Oberhalb des Betenden ist in einem runden Bildfeld im Zentrum der Apsis ein goldenes Kreuz im Sternenhimmel dargestellt. Es verkörpert die aufgehende Sonne. Zu beiden Seiten sind die Propheten Moses und Elias zu sehen. Von oben ragt die Hand Gottes in die Szene hinein.
Oberhalb der Apsismuischel befindet sich in einem Bildstreifen ein Christusmedaillon, sowie die Symbole der vier Evangelisten als (v.l.n.r.) Adler, Engel, Löwe und Stier (Johannes ,Matthäus, Markus, Lukas)
Das Mausoleum der Galla Placidia
Von außen ein eher unscheinbarer Bau, vermitteln die Mosaiken im Inneren eine mystische Atmosphäre. Das sogenannte Mausoleum der Galla Placidia, das vollständig erhalten ist, stammt aus dem 5. Jahrhundert nach Christus und gehörte zu einem Baukomplex, den Galla, die Tochter des Kaisers Theodosius hatte errichten lassen.
Dass Galla Placidia selbst in diesem Gebäude bestattet worden ist, ist hingegen eher unwahrscheinlich; sie ist 450 in Rom gestorben. Beim vermeintlichen Mausoleum dürfte es sich vielmehr um eine Gebetskapelle für den Hl. Laurentius gehandelt haben. Sein Feuertod wird als Mosaik in einem Bogenfeld dargestellt.
Andere Mosaiken des kleinen Kreuzkuppelbaus zeigen weitere Heilige, Christus als guten Hirten, Rankenornamente und in der Kuppel einen Sternenhimmel mit vier Cherubinen um ein Kreuz herum. Die Blautöne der Deckengewölbe spiegeln die Tiefe des Himmels wider und vermitteln einen mystischen Raumeindruck. Gedämpftes Licht fällt bis heute durch die Alabasterscheiben in den Bogenfeldern.
Bildergalerie
Fotos: Sebastian Buck
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