Perge
Stadtgeschichte
In der antiken Landschaft Pamphylien liegt unweit der heutigen Großstadt Antalya (antik: Attaleia) die kleinasiatische Stadt Perge. Der Fluss Kestros, der die Stadt in der Antike mit dem 11 km entfernten Mittelmeer verband, verläuft heute ca. 4 km östlich der Stadt. Ein 60 m hohes Felsplateau von ca. 2500 m² bot den idealen Ort für die Gründung einer gesicherten Oberstadt, zu deren Füßen alsbald ein blühendes Handelszentrum entstand. Noch heute bietet das Ausgrabungsgelände dem Besucher ein eindrucksvolles Bild vom Leben und dem einstigen Reichtum dieser Stadt, die sich selbst auf ihren Münzprägungen immer wieder als „die Erste in Pamphylien“ bezeichnete.
Perge besaß ein bedeutendes Artemis-Heiligtum, das in historischen Quellen und Inschriften (vgl. Abbildung) belegt ist, bis heute aber nicht gefunden werden konnte. Die Artemis wurde hier - ähnlich wie in ⇒ Ephesos mit sienem berühmten Artemision - als orientalische Gottheit verehrt. Perge führte aus Stolz auf sein Artemis-Heiligtum auf Münzen und in Inschriften häufig den Ehrentitel neokoros (Tempelhüter). Der Tempelbezirk durfte zudem asyleia gewähren, also Tempelasyl, das den einer Person absolute Immunität und Schutz vor Verfolgung gewährte. Auch dieser Tatsache rühmte sich Perge in zahlreichen Münzprägungen.
Die Inschrift auf dem Foto stammt aus dem Theater der Stadt. Sie stammt aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. und berichtet von Baumaßnahmen auch am Tempel der Artemis, die durch die finanzielle Unterstützung einer Plancia Magna, einer wohlhabenden Frau der Stadt, in hadrianischer Zeit durchgeführt wurden.
Frühzeit und Gründung:
Die Geschichte von Perge reicht bis ins 12. Jahrhundert v.Chr. zurück, als die Stadt von den Hethitern gegründet wurde. Schon in diesen frühen Zeiten war Perge für seine Lage an der Küste des Mittelmeers und seine strategische Bedeutung bekannt.
Hellenistische Periode:
Während der hellenistischen Periode wurde Perge zu einer florierenden Stadt mit beeindruckender Architektur und einem reichen kulturellen Erbe. Die Stadt wurde von Alexander dem Großen erobert und später unter den Seleukiden und Ptolemäern regiert. Diese Periode sah den Aufstieg von Perge als eine wichtige Handelsstadt und ein kulturelles Zentrum, was sich in den gut erhaltenen Überresten von Tempeln und Monumenten widerspiegelt.
Römische Blütezeit:
Die eigentliche Blütezeit von Perge fand während der römischen Herrschaft statt. Unter römischem Einfluss erlebte die Stadt eine beispiellose Expansion und Entwicklung. Das römische Theater von Perge, mit seinen Sitzreihen für 15.000 Zuschauer, ist ein herausragendes Zeugnis dieser Ära. Die Stadt verfügte über eine fortschrittliche Wasserversorgung und ein beeindruckendes Straßennetz, was auf die technische Raffinesse ihrer Bewohner hinweist.
Frühes Christentum:
Perge ist auch eng mit dem frühen Christentum verbunden, insbesondere durch den Besuch des Apostels Paulus während seiner ersten Missionsreise (Apg 13,13f; Apg 14,25). Dieser historische Moment markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der Geschichte der Stadt und ihrer Rolle im Christentum.
Spätere Epochen und Niedergang:
Nach der römischen Zeit erlebte Perge eine Abfolge von Herrschaftswechseln und Invasionen. Bereits ab dem 7. Jahrhundert konzentrierte sich die Besiedlung auf den Akropolishügel. Die Stadt geriet in den Fokus der Seldschuken und später des Osmanischen Reiches, was zu einem allmählichen Niedergang führte.
Heute:
Heute ist Perge eine beeindruckende archäologische Stätte, die von Touristen aus aller Welt besucht wird. Die gut erhaltenen Überreste der Stadt, darunter das Theater, das Agora, die Bäder und die Säulenstraßen, zeugen von der reichen Geschichte und Kultur, die Perge einst ausgezeichneten.
Perge und das Christentum
Aus der Apostelgeschichte (Apg 13, 13 f. und Apg 14, 25) erfahren wir, dass Paulus sich zweimal in Perge aufgehalten hat. Einmal gemeinsam mit Barnabas auf der Reise von Paphos auf Zypern ins pisidische Antiochien, und das zweite Mal auf dem Rückweg von Antiochien. (s.u.)
Auf dem Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) ist ein Bischof von Perge unter den Teilnehmern. Dies zeugt von einer frühen Sesshaftwerdung des Christentums in Perge.
Im Zusammenhang mit der Decischen Verfolgung ( ⇒ Christenverfolgungen) erlitten Nestor, Bischof von Perge und Tribimius um 250 n. Chr. in Perge das Martyrium.
Das 5./6. Jahrhundert hat uns einige christliche Bauten hinterlassen, so z. B. die große Süd-Basilika.
Die Süd-Basilika
Die gewaltige dreischiffige Basilka, die sich östlich des Stadttores befindet, stammt aus dem 5./6. Jahrhundert n. Chr. Sie hat einen annähernd quadratischen Grundriss von 27 x 29 m. Vorgelagert ist ein Atrium.
Heute ist die Ostwand mit der Apsis und dem Presbyterium noch gut erhalten. Auch Reste der ursprünglichen Marmorverkleidung der Wände sind noch zu sehen.
Paulus in Perge
Wir erfahren in der Apostelgeschichte, dass sich Paulus während seiner ersten Missionsreise im Jahr 47 zweimal in Perge aufhielt. Zu dieser Reise war er zusammen mit Barnabas von der antiochenischen Gemeinde entsandt worden (Apg 13,2f.). Von Seleukia Pieria, dem Hafen Antiochias brachen Paulus, Barnabas und Johannes (welcher Johannes, ist unbekannt. Apg 12,25 erwähnt dessen Beinamen Markus) zunächst nach Zypern auf. Sie treffen in Paphos auf den Magier Barjesus - ein Pseudoprohet (ψευδοπροφήτης ), wie es in Apg 13,6 heißt - der sich beim dortigen Prokonsul Sergius Paulus aufhielt. Dieser lässt sich die christliche Botschaft von Paulus und Barnabas erklären und nimmt den christlichen Glauben an. Interessant ist dieser Abschnitt der Apostelgeschichte insbesondere, weil Paulus vor seiner Begegnung als Saulus angesprochen wird, und nach Apg 13,9 (Saulus aber, der auch Paulus heißt...) nur noch als Paulus auftritt.
Nach der Begegnung mit dem Statthalter brechen Paulus, Barnabas und Johannes mit dem Schiff Richtung Pamphylien auf und kommen in Perge an. Dort trennt sich Johannes Markus von der Gruppe und kehrt nach Jerusalem zurück. Die Gründe dafür werden in der Apostelgeschichte nicht genannt. Über eine Missionstätigkeit in Perge schweigt die Apostelgeschichte. Offenbar halten sich Paulus und Barnabas auch nicht sehr lange in Perge auf. Allerdings ist anzunehmen, dass Paulus auch in dieser blühenden Hafenstadt nicht völlig untätig geblieben ist. Von Perge aus setzen sie die Reise durch das unwirtliche Taurusgebirge in das pisidische Antiochia fort.
Anschließend besucht Paulus Ikonion, Lystra und Derbe, bevor er auf dem Rückweg erneut in Perge Station macht (Apg 14,25). Bei der Beschreibung dieses zweiten Aufenthalts in Perge ist nun deutlich davon die Rede, dass Paulus und Barnabas den christlichen Glauben verkündigt haben. Auch scheint dieser Aufenthalt von längerer Dauer gewesen zu sein, als auf dem Hinweg. (Apg 14,25: καὶ λαλήσαντες ἐν Πέργῃ τὸν λόγον κατέβησαν εἰς Ἀττάλειαν) Die Rückreise nach Antiochia treten Paulus und Barnabas anschließend auf direktem Wege von Attaleia (Antalya) aus an.
In der Apostelgeschichte finden wir also den direkten Beleg dafür, dass sich in Perge eine der frühesten christlichen Gemeinden gebildet hatte.
Agora und Macellum
Die Agora war das wirtschaftliche und politische Zentrum einer antiken Stadt im griechischsprachigen Raum. Die Agora von Perge ist ein nahezu quadratischer Platz von 76 m x 74,5 m. Den zentralen Platz säumten Säulenhallen mit dahinter liegenden Ladenlokalen, deren Fußböden mit geometrischen Mosaiken ausgelegt waren. Drei Tore öffneten sich zur Kolonnadenstraße, zudem hatte die Agora jeweils einen Zugang im Norden und im Süden. Im Zentrum des Platzes befindet sich ein kreisrundes Gebäude. Hierbei handelt es sich vermutlich um das Macellum der Stadt. Hier wurde Feinkost verkauft, insbesondere Fleisch und Fisch. Einige Forscher sehen in dem Rundbau im Zentrum des Agora-Platzes einen Tempel für die Göttin Tyche.
Das Theater
Das Theater der Stadt Perge ist noch heute gut erhalten. Es bot ursprünglich Platz für ca. 14.000 Zuschauer. Ursprünglich war es wohl als griechisches Theater geplant worden, was sich am Grundriss zeigt: Die Cavea (Zuschauerränge) ist ein wenig größer als der für römische Theater typische Halbkreis. Dennoch schließt sich ein römisches Bühnenhaus an. Die Verbindung beider Bauelemente dürfte die Architekten von eine gewisse Herausforderung gestellt haben.
Die Cavea teilt sich in zwei Ränge. Der obere Rang wird - vergleichbar mit dem deutlich größeren Theater von Aspendos - von einer Galerie abgeschlossen. Das 52 m lange Bühnenhaus war dreigeschossig und wies einen reichhaltigen Schmuck auf, von dem sich im unteren Bereich noch ein Marmorfries erhalten hat. Der Fries zeigt Szenen aus dem Dionysos-Mythos. (vgl. Abb.)
Das Stadion
Nordöstlich des Theaters, außerhalb der Stadtmauern befindet sich das Stadion von Perge. Es stammt aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. und gilt als eines der besterhaltenen Stadien in Kleinasien. Ein Torbau im Süden der Anlage bildete den Zugang zur in Nord-Süd-Richtung angelegten Rennbahn, die 34 x 234 m maß.
Die im Halbrund um die Rennbahn angelegten Zuschauerränge, die z. T. noch in voller Höhe erhalten geblieben sind, konnten ca. 12.000 Zuschauer fassen.
Der nördliche Bereich der Wettkampfbahn wurde später im Bereich der Rundung durch eine Mauer abgetrennt. Auf diese Weise wurde im Stadion die Durchführung von Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen möglich.
Die Süd-Thermen
Die große Thermenanlage im Süden von Perge besteht aus fünf aneinanderliegenden Räumen. Sie befinden sich ebenfalls in dem Bereich der Unterstadt, der durch die Errichtung eines neuen Stadttores südlich des hellenistischen Stadttores erweitert wurde. Insgesamt sind drei Umbauphasen nachweisbar: eine erste Thermenanlage stammt aus der Zeit des Kaisers Hadrian (reg. 117 - 138 n. Chr.). Zu Beginn des dritten Jahrhunderts wurde die Anlage erweitert und im 4./5. Jahrhundert n. Chr. fanden Restaurationsarbeiten statt.
Den Zugang zur Palästra der Thermenanlage vom Platz des Septimius Severus aus bildete ein Propyläum aus zwei Säulenreihen mit je vier Säulen. Im Bereich des Propyläums wurden bei Ausgrabungen zahlreiche Statuen gefunden, die vom großartigen Schmuck der Anlage zuegen. Die Palästra gehört zum ältesten Teil der Thermen. Die freie Fläche, die der körperlichen Betätigung diente, war von Säulenhallen gesäumt. And die Palästra schlossen sich Natatio (Schwimmbecken), Frigidarium (Kaltbadebereich), Tepidarium (Warmbereich) und Caldarium (Heißbereich) an. In den geheizten Bereichen wurde durch große nach Süden gerichtete Fenster zusätzlich die Sonnenwärme genutzt.
All diese Räume waren reich ornamentiert, und die Fußböden mit Mosaiken oder Opus Sectile ausgelegt (vgl. Abb.).
Im Westen der Palästra lag ein L-förmiger Gebäudekomplex, von dem eine Tür ins südlich gelegene Frigidarium führte, währen die gegenüberliegende Nordseite durch eine Apsis abgeschlossen wurde. Sitzstufen weisen darauf hin dass die Räume als Treffpunkt und Ort zum Verweilen dienten.
Auch hier befanden sich zahlreiche Statuen, von denen mindestens elf durch einen wohlhabenden Bürger von Perge namens Claudius Peison gestiftet wurden. Gelegentlich wird dieser Gebäudekomplex auch als Museion gedeutet.
Nymphäen
Das Hadrians-Nymphäum / Akropolis-Nymphäum
Am Nordende der prachtvollen Kolonnadenstraße am Fuße der Oberstadt befinden sich die Reste eines imposanten Nymphäums, das zugleich als Tor zur Oberstadt fungierte. Es handelte sich um ein zweigeschossiges Gebäude mit einer Breite von 21 m auf U-förmigem Grundriss. Im Zentrum der Schaufassade befindet sich noch heute die liegende Statue des Flussgottes Kestros. Durch eine Öffnung floss das Wasser unterhalb der Statue zunächst in ein Sammelbecken, bevor es in den zentralen Kanal, der die Kolonnadenstraße säumte abfloss. In den rechts und links des liegenden Flussgottes erhaltenen Nischen befanden sich zwei Frauenstatuen, die heute im Museum von Antalya ausgestellt sind. Zudem sind zwei weitere Statuen gefunden worden, die den Kaiser Hadrian abbilden, was zu der Annahme geführt hat, dass das Nymphäum zur Zeit Hadrians (117-138 n. Chr.) erbaut worden ist. Auch eine Inschrift weist auf Kaiser Hadrian hin.
Zu beiden Seiten öffneten sich Bogendurchgänge, die den Aufstieg auf die Oberstadt ermöglichten. Hinter dem linken Bogendurchgang ist noch die hinaufführende Treppe erhalten.
Das große Nymphäum am Platz des Septimius Severus
Im 2./3. Jahrhundert n. Chr. wurde ein Bereich außerhalb des hellenistischen Stadttores erschlossen, das Stadtgebiet auf diese Weise nach Süden erweitert und ein neues Stadttor errichtet. Den durch die Erweiterung gewonnenen Raum nimmt eine großzügige Platzanlage ein (der sog. Septimius-Severus-Platz), an deren Westseite sich neben dem Propyläum ein weiteres Nymphäum befindet. Dieses Nymphäum gehört technisch zu den dahinter liegenden Süd-Thermen. In Richtung des Platzes erstreckte sich ein großes Bassin vor einer zweigeschossigen Prunkfassade, die durch aufwändig kannellierte Marmorsäulen und zahlreiche Nischen gegliedert war.
Eine Inschrift weist darauf hin, dass diese Brunnenanlage von der in Perge lebenden Aurelia Paulina finanziert worden war. Die Widmungsinschrift nennt die Herrscher Caracalla und Geta. Ein reicher Statuenbesatz rundete das Ensemble ab.
Das hellenistische Stadttor
Christliches Oratorium auf der Kollonnadenstraße
Unweit der Kreuzung der beiden Kollonnadenstraßen sind die Überreste eines weiteren kleinen Kirchengebäudes zu sehen. Leider ist in der Literatur nichts über dieses Gebäude zu finden.
Das etwa 9 x 5 m große Gebäude steht auf dem zentralen gedeckten Wasserkanals. Es handelt sich um einen Zentralbau mit im Osten angefügter Apsis. Vier Säulen trugen eine Kuppel. Vereinzelte Reste des Marmorschmucks sind noch erhalten, u.a. zwei Kapitelle mit Rankenornamenten und Kreuzen.
Die Verwendung von Spolien lässt eine Datierung in byzantinische Zeit wahrscheinlich erscheinen.
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